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Langzeitbeatmung im eigenen Lebensumfeld

Das Buch „Langzeitbeatmung im eigenen Lebensumfeld“ von Christiane Gödecke basiert auf einer Dissertation, die sie 2017 an der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar mit dem Titel: „Menschen mit Langzeitbeatmung im eigenen Lebensumfeld. Sichtweise von Betroffenen (und ihren Angehörigen) auf die Pflege in der außerklinischen Beatmung“ eingereicht hatte. Nun ist die Studie im Mabuse Verlag erschienen.

Die Forschungsarbeit basiert auf 20 Interviews, die mit langzeitbeatmeten Betroffenen und teilweise mit involvierten Angehörigen geführt wurden. Bei der Auswertung beleuchtet die Autorin die Ergebnisse speziell aus care-ethischer Sicht (philosophische Sichtweise). Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, wie die Perspektive von beatmeten Betroffenen (und deren Angehörigen) auf die Pflegesituation in der außerklinischen Beatmung im eigenen Lebensumfeld aussieht und welche Rolle hierbei Themen wie Technik, Sicherheit, Selbstbestim-mung, Kommunikation, Privatsphäre, Nähe und Distanz, Kompetenz und Rollenverhalten spielen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Angehörige und Betroffene häufig zu Experten ihrer Situation werden, wobei Selbstbestimmung und Selbständigkeit einen hohen Stellenwert haben. Hierbei sind Beziehungsaufbau und Vertrauen zum Personal essentiell, um Sicherheit zu erlangen. „Mein Leben leben“ und die Selbstbestimmung aufrechterhalten, ohne von der Technik und dem Pflegepersonal fremdbestimmt zu werden, lässt sich als übergeordnete Botschaft zusammenfassen. „Im Laufe der Untersuchung hat sich ergeben, dass die Technik nicht in dem Maße im Vordergrund steht wie erwartet. Stattdessen wurde der Vertrauens-Beziehungsaspekt unter permanenter Präsenz (immer Dasein) ein wesentlicher Inhalt.“

Das Buch beleuchtet die außerklinische Intensivpflege sowohl thematisch als auch formal sehr wissenschaftlich. Deshalb ist es keine leichte Lektüre. Zitate aus den Interviews erscheinen häufig nur als Fußnote. Das Buch regt zum Reflektieren an und verdeutlicht zweifellos, wie wichtig für die betroffenen Menschen und deren Sicherheit eine vertrauensvolle Beziehung auf Augenhöhe zu den Pflegekräften und deren Qualifikation ist. Eine große Herausforderung!

Dorothee Seidl, pflegerische Leitung einer Wohngemeinschaft in Bad Kissingen

Bisher ist die ambulante Intensivpflege in Deutschland nur selten Gegenstandsbereich pflegewissenschaftlicher Studien. Umso erfreulicher ist die Veröffentlichung der Studie von Christiane Gödecke zu bewerten. Als theoretischer Zugang zum Untersuchungsfeld wurde zuerst „Technik“ als Hintergrund gewählt. Dabei geht es sowohl um die dingliche Form von Technik im Sinne von Geräten als auch um Handlungen, die daraus erwachsen und mit Begrifflichkeiten u.a. wie Entfremdung, Aufmerksamkeitsverschiebung und Kontrolle beschrieben werden. Da jedoch bereits bei der Analyse des ersten Interviews deutlich wurde, dass in den Erzählungen der Betroffenen Technik keinen hervorstechenden Stellenwert einnimmt, sondern die Beziehung und Beziehungsgestaltung zwischen Betroffenen, Angehörigen und Pflegekräften als wesentlich angesehen wurde, wurde als zweiter theoretischer Bezugspunkt die Care-Ethik herangezogen. Dadurch fällt der Blickwinkel u.a. auf Darstellungen, wie sich die Machtverteilung zwischen Pflegenden und Gepflegten gestaltet, Interaktionen ablaufen, Autonomie oder Empowerment auftauchen oder wie sich „gute Pflege“ gestaltet. Die Veröffentlichung ist eine Fundgrube für Pflegewissenschaftler, da es der Autorin gelingt, ihren Forschungsprozess mit den dahinter liegenden theoretischen Grundlagen und Annahmen transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

Heinrich Recken, Hamburger Fern-Hochschule

Zum Buch:
Prof. Dr. Helen Kohlen (Hg.)
Christiane Gödecke: Langzeitbeatmung im eigenen Lebensumfeld. Sichtweisen auf die Pflege in der außerklinischen Beatmung
Mabuse 2018, 258 Seiten, Preis: 39,95 Euro

Die beiden Rezensionen erschienen in GD 41, Juli 2018, S. 76